"Menschen
und Plätze" - Valentin Kozlov
Valentin Kozlov wurde 1933 in Leningrad geboren. Er heiratete recht
jung Galina Egorova, 1955 wurde sein Sohn Evgenij geboren. Vielleicht
war das auch einer der Gründe dafür, dass er trotz seines bescheidenen
Einkommens einen Fotoapparat erwarb, genauer eine F-E-D-2, die typische
Kamera für Amateurfotografen. Dazu kaufte er sich einen Vergrößerer
und die weitere Ausrüstung zur Entwicklung und Vergrößerung der Aufnahmen.
Damit war er in der Lage, eine Ecke des kleinen Zimmers, das die Familie
in der Kommunalwohnung besaß, von Zeit zu Zeit in eine Dunkelkammer
umzuwandeln und Freunde und Verwandte mit dem Ergebnis seiner Liebhaberei
zu beschenken.
In seinem Nachlaß fanden sich zahlreiche schwarz-weiß-Negativfilme,
die hauptsächlich aus den Jahren 1959 bis 1961 stammen. Die Filme als
solche sind nicht datiert, aber durch die Angaben auf den Umverpackungen
sowie durch das Alter der abgebildeten Personen lassen sie sich recht
genau bestimmen. Insgesamt handelt es sich um ca. 1500 Aufnahmen, wobei
nicht auszuschließen ist, dass einige Filme verlorengegangen sind.
Die Aufnahmen lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: einerseits
in Szenen aus dem Familienleben, andererseits in atmosphärische Ansichten
Leningrads sowie des russischen Dorfes Syntsowa im Gebiet Kostroma.
Diese rein formale Unterscheidung nach inhaltlichen Kriterien wird aufgehoben
durch den künstlerischen Anspruch Valentin Kozlovs bei der Gestaltung
der fotografischen Komposition, der bei jeder einzelnen Aufnahme erkennbar
ist. Sein gestalterische Talent führt auch dazu, dass die Fotografien
in ihrer Gesamtheit mehr als nur dokumentarischen Charakter tragen,
wie man es üblicherweise von Hobbyfotografen erwartet.
"Leningrad 1960 - Menschen und Plätze" ist eine besondere Serie.
Es handelt sich um einen Film, der nach Entwicklung und Fixierung einen
weiteren chemischen Prozeß durchgemacht hat. Ob dieser Prozeß gewollt
war oder aber Zufallsprodukt, ist heute nicht mehr festzustellen. Im
Ergebnis jedoch hat sich die Emulsion auf der beschichteten Seite des
Films entlang der hell-dunkel Kontraste ins Helle zurückgezogen, und
zwar nicht exakt parallel zu den dunklen Konturen, sondern in Bögen.
Diesen Effekt kann man verstärken, wenn man die Negative nicht auf schwarz-weiß-Fotopapier
abzieht, sondern farbiges wählt. Die verschiedenen Dichten der Emulsion
nehmen dann verschiedene Farbtöne an, und es ergeben sich faszinierende
Farbschattierungen, je nach Voreinstellung der Filter. Weitere Fehlstellen
der Negative sowie die Wahl eines gelbgetönten Farbfotopapiers verleihen
den Aufnahmen ein außergewöhnliches, malerisch-impressionistisches Fluidum.
Der Klarheit halber soll wiederholt werden, dass all diese Effekte durch
fotografische Verfahren vom Negativ zum Print zustande kamen und nicht
etwa durch Verfremdungen am Computer mithilfe spezieller Programme.
Valentin Kozlov hat die Bearbeitung seiner Fotografien nicht erleben
können. Er starb 1980 nach einer schweren Krankheit. Zu Lebzeiten hat
er nur einen kleinen Teil seiner Aufnahmen vergrößert, hauptsächlich
diejenigen, von denen er annehmen konnte, dass sie in seinem engeren
Umkreis auf Interesse stoßen würden, das heißt, Aufnahmen von Familie
und Freunden. Wieso nach einer sehr intensiven Phase 1959 bis 1961 nur
noch sehr wenige Filme vorhanden sind, wissen wir nicht. Es ist aber
anzunehmen, dass die anstrengende Arbeit in einer Fabrik und möglicherweise
auch die ausbleibende Reaktion und Unterstüzung seines Umfelds dazu
beitrugen, dass sein Interesse nachließ.
Hannelore Fobo
Druck im Iris-Giclée Print Verfahren auf Büttenpapier, Bildgröße
ca 20 x 30 cm auf 28 x 38 cm, Auflage 26.
Preis pro Motiv: 400 Euro incl. 16% Ust.