Mara Zalite, geboren am 18. Februar 1952 als Kind deportierter lettischer Eltern in Sibirien (Gebiet Krasnojarsk), gilt als eine der wichtigsten Vordenkerinnen der "Singenden Revolution". Mit ihrer literarischen Arbeit und durch ihr mutiges Auftreten als Rednerin und Publizistin hat sie das Ringen der Letten um nationale Unabhängigkeit nicht nur intensiv begleitet, sondern entscheidend beeinflußt. 1989 kürten die lettischen Medien sie zur "Frau des Jahres", 1993 erhielt sie für ihr Libretto zu der Rockoper "Lacplesis" den Herder-Preis der Hamburger Toepfer -Stiftung. Von 1989 bis Herbst 2000 war Mara Zalite Chefredakteurin des Monatsjournals für Literatur "Karogs". Sie lebt als freie Schriftstellerin in Riga. In ihrem dramatischen Oevre - fünf Theaterstücke und sechs Libretti zu Rockopern bzw. Musicals - entwickelt Zalite Situationen, die anhand von Motiven aus Geschichte, Mythologie oder Weltliteratur aktuelle Probleme ausleuchten und deren universelle Dimension freilegen. Mara Zalites Gedichte reflektieren in einer klaren und unprätentiösen, dabei hochpoetischen Sprache die Suche des Menschen (bzw. der lettischen Gesellschaft) nach einer Identität zwischen Polaritäten wie Tradition und Moderne, Mythos und Sachlichkeit, Fremdbestimmung und Freiheit, Gesellschaft und Individuum, Entfremdung und ethischem Selbstverständnis.

Das Gericht. Ein Gutshaus in Livland gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Deutschbaltische Gutsherren halten Gericht über ihre lettischen Leibeigenen: eine Kindsmörderin, einen Brudermörder, einen Trinker und eine ,Hexe'. Als Verteidiger fungiert der deutsche Bürgerliche Garlieb Merkel: Passagen, Figuren und Motive aus dessen 1797 erschienenem Buch "Die Letten, vorzüglich in Livland, am Ende des philosophischen Jahrhunderts", eine flammende Parteinahme für das geknechtete Volk, bilden die Grundlage für das Stück. Parallel zu dem "Hohen" findet ein zweites Gericht statt: im Keller des Gutshauses, wo eine weitere Gruppe von Letten eingesperrt ist, die sich zu lauten Singens schuldig gemacht hat. Doch hier gilt nicht das Römische Recht, sondern die mythisch- heidnische Sichtweise der lettischen Überlieferung. Die Grenze zwischen Anklägern und Angeklagten verschwimmt.

Margarete. Gretchens Fall wird nach 25 Jahren der Inhaftierung ohne rechtskräftiges Urteil erneut aufgerollt. Die Anklage lautet in drei Fällen: Ermordung der Mutter durch Gift, Kindsmord durch Ertränken und Beihilfe zum Mord am Bruder. Der Staatsanwalt fordert die Todesstrafe. Ein junger ehrgeiziger Anwalt, der gewillt ist, diesen Fall für seine Karriereleiter zu nutzen, versucht eine Annäherung an diese starke, eigenwillige und gereifte Frau. Die Verteidigung scheint aussichtslos, die Indizien sind erdrückend und Margarete verweigert schicksalsergeben die Zusammenarbeit. Doch die Nachforschungen ergeben die Unschuld Margaretes, und der Fall des Herrn Dr. Faust wird vor Gericht parallel verhandelt. Als ein Justizwachebeamter vom jungen Anwalt, der in Margarete seine Mutter erkennt, eine schnelle Unterschrift mit etwas Blut verlangt, könnte alles von vorne beginnen - doch Margarete macht dem Teufel einen Strich durch die Rechnung.

Margarita Pervenecka, geboren 1976 in Riga, studierte Kino- und Theaterdramatik an der Lettischen Kulturakademie und debütierte als Schriftstellerin 1998 mit dem Theaterstück "Menschenkette oder das lustige Karussell" (Uraufgeführt im ACUD Theater Anfang 2002). Es folgten Drehbücher ("Rehabilitation", "Bring mich nach Hause"), Kurzgeschichten und Gedichte. "Vergißmeinnicht auf Wurstpapier" wurde im Juni dieses Jahres in Riga am Theater TT uraufgeführt.

Vergißmeinnicht auf Wurstpapie. Ein psychologisches Kammerspiel mit absurden Elementen In einem abgelegenen Raum auf einem Freizeitdampfer treffen vier einsame Menschen aufeinander: Ein Wäscher einer chemischen Reinigung, ein unter Komplexen leidender Marketingbeauftragter, eine einsamer Rentner, dessen einziger Lebensinhalt sein verwöhnter Enkel ist, und eine gescheiterte Balletttänzerin. Die Wege, die diese Menschen in den abgelegenen Raum führen, sind unterschiedlich. Der Grund ist immer gleich: Die Flucht vor der Unzufriedenheit mit sich selbst. Alle vier haben das gesellschaftliche Diktum, jung, attraktiv und erfolgreich sein zu müssen, extrem verinnerlicht und leiden bis zur Unerträglichkeit daran, dem nicht entsprechen zu können. Sie versuchen, einander gegenüber die Fassade gesellschaftlicher Geltung aufrecht zu erhalten, hinter der sich ihr hilfloses Ich verbirgt. Jedes Eindringen in diese Fassade wird mit Aggressivität beantwortet. Als später Drogen ins Spiel kommen, erliegen sie der Illusion, ihren Ängsten auf diese Weise entkommen zu können.

 

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Ansis Rutentals movement theatre Riga. Der Gründer des Bewegungstheaters Ansis Rutentals (1949 - 2000) entwickelte sein Interesse für Bewegung, als er 1963 den Rigaer Pantomimen beitrat. Später arbeitete Rutentals neben seiner Tätigkeit als Regisseur und Choreograph auch als Dozent für Bühnenhaltung, räumliche Komposition und Schauspielerei an der Lettischen Kulturakademie. Das Ansis Rutentals Bewegungstheater wurde 1978 gegründet. Die schöpferische Kraft und der Stil des Bewegungstheaters basieren auf visueller Interpretation der Musik. Dabei werden Elemente wie Bewegung, Form, Komposition, Farbe und Licht benutzt. Die Choreographie ist das Endprodukt der visuellen Interpretation. Dem Zuschauer wird keine einheitliche, in sich geschlossene Geschichte angeboten, sondern eher eine breite Palette von Assoziationen. Das Ansis Rutentals Bewegungstheater trat in Deutschland, Schweden, Dänemark, Rußland, Österreich, England und den Baltischen Staaten auf.

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Darsteller: Liene Bunke, Zane Balode, Dailis Cirulis,
Regie: Voldemars Berkis
Technik: Dzintars Krumins

Ich kenne jeden seiner Schritte, spüre jeden seiner Atemzüge...Ich kann sogar jedes seiner nächsten Fürzchen vorausahnen, weil ich höre, was und wann er ißt...In diesem Augenblick fließt eine Träne über meine Wange... ein .klitzekleines Tränchen, dass mich an meine Sehsucht erinnert...Mein Herz ist voll Geduld...ich warte.... Das Leben zweier alter Frauen verstreicht ohne Ereignisse. Ihre Tage sind angefüllt mit Gedanken an den nebenan wohnenden Greis. Sie lauschen gierig jedem Geräusch nach, dass durch die Wand hindurchsickert. Sie malen sich aus, was der Alte gerade getan haben könnte und versuchen dann "seine" Bewegungen zu imitieren. In dem alltäglichen Ritual des Alten gibt es wenig Veränderungen: die letzte Tram, die ihn nun schon seit 45 Jahren von der Arbeit nach Hause fährt, die siebenundzwanzig Schritte von der Haltestelle bis zur Haustür, dann die Treppe: eins, zwei, drei, vier, fünf...elf Stufen, das Schloß, das Quietschen der Tür,... drei Schritte bis zum Kleiderschrank, zehn bis zur Teekanne, fünf bis zum Bett ... dann schaltet eine Hand das Radio ein....ein Tanz schwebt durch die Luft ... und Träume, in denen der Greis nun nicht mehr alleine tanzen muss...

In der ACUD Galerie werden Zane Berzinas Projekte Skin Charts, Topography of skin und Touch ausschnittweise zu sehen sein.

Die Künstlerin schreibt über ihre Arbeit:

Projekt Hautgeschichten : Skin Charts
In dieser Arbeit werden die Hautoberflächen von Menschen unterschiedlicher Rasse, unterschiedlichen Alters und Geschlechts untersucht. Zu diesem Zweck wurden Hautabdrücke, sogenannte negative Replika, der Hornschicht der Epidermis abgenommen und mit Hilfe eines Lichtmikroskops oder einer optischen Linse fotografiert.

Projekt Hautgeschichten : Topography of skin
Das Mikroskop ist nur ein weiteres Werkzeug, um eindrucksvolle Illusionen zu kreieren. Diese haben relativ wenig mit der sogenannten objektiven Realität zu tun. Das Mikroskop vergrößert die Struktur eines Objekts, aber es zeigt nicht notwendigerweise die Wahrheit. Auf welche Art und Weise Menschen die Welt betrachten und welche Werkzeuge sie zur Orientierung in ihr benutzen, ist kulturell determiniert. Das Projekt Hauttopographie ist eine Kritik an der westlichen Medizin und der biomedizinischen Praxis des Vermessens des menschlichen Köpers als eines fremden Territoriums. Diese Näherungsweise basiert auf der Idee des Körpers als Maschine. Leib und Seele werden getrennt betrachtet.
Für meine Arbeit habe ich negative Haut -Replika meiner eigenen Epidermis benutzt. Dieses biologische Dia wurde mittels Lichtmikroskop untersucht, fotografiert und digital in ein schwarz weiß Bild umgewandelt, welches danach hundertmal vergrößert wurde, bis schließlich keine Hautoberflächenstrukturen mehr sichtbar waren. Die Aufeinanderfolge von Bildern dieser Zwischenstadien demonstriert den sich auflösenden Weg zum Schlußbild, welches aus einem völlig weißen Blatt Papier besteht. Hauttopographie ist auch eine sehr poetische Arbeit über Privatheit und Intimität.

Projekt Hautgeschichten: Touch
In der biologischen Fachsprache ist unser Körper längst zu einer Art menschlichem Bausatz geworden- man kann eine nicht funktionierende Leber ersetzen, künstliche Haut implantieren oder die gewünschten physischen und intellektuellen Eigenschaften eines ungeborenen Kindes programmieren. Ungeachtet dessen bleibt die Haut im kollektiven Bewußtsein immer noch ein Platz, an dem das Ich sein zu Hause findet. Sie ist die Grenze, an der die Subjekte sich treffen können. In Kunst und Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Haut oft als Metapher für Isolation, Distanz zwischen den Menschen und die Fremdheit des Anderen hinter der äußeren Hülle benutzt. In der historischen Entwicklung hat sich die Wahrnehmung der Haut mehr und mehr auf den visuellen Eindruck reduziert. Die Haut ist unsere Berührungszone mit der äußeren Welt. Die Arbeitsserie Touch untersucht unsere Kontaktstellen mit der Umgebung. In diesem Projekt werden Sequenzen von Handbewegungen erstellt, um die Flugbahnen der Bewegungen einzufangen.

Zane Berzina Geboren. 1971 in Riga/Lettland

1990 - 1997 Lettische Kunstakademie Riga; Abteilung Textilkunst, BA der Kunst
(94), Künstler Diplom (97)
1994 - 1995 Universität für Kunst und Design Helsinki (UIAH), Abteilung 65
Textilkunst bei Prof. K. Kellomaki
1995 - 2000 HDK Berlin Institut für experimentelles Bekleidungs- u. Textildesign.
(Diplom Designer)
1997 - 1999 HDK Berlin Studentin der Studienrichtung Malerei. Prof. Klaus
Fussmann
1998 - 2000 Im Rahmen des Europäischen Master Programms Studium an der
Universität Southampton, Winchester School of Art, England, HDK
Berlin und am Institut Français de la Mode, Paris
Seit 2000 Promotion an der London College of Fashion, The London Institute,
England

Auszeichnungen
1995 Stipendium des CIMO für ein Studium an der Universität für Kunst und
Design Helsinki
1995 Stipendium der UIAH, Finnland, für das VARDE-Projekt in Berlin
1998, 1999 Stipendium des lettischen Kulturkapital-Fonds für das europäische
Magisterprogramm
1999 Stipendium des Soros Center For Contemporary Art - Riga, Latvia 2000
Auszeichnung von Lucky Strike Junior Designer Award, Raymond
Loewy Foundation
2000 - 2003 ORS - The Overseas Research Students Award, England
2000 - 2003 LINST - The London Institute Research Students Scholarship, UK
2002 The Textile Institute bursary for research towards PhD

Einzelausstellungen (Auswahl)
1993 "Monumentary impressions" Rozentals-Verein, Helsinki, Finland
1997 "Divine Company" - Diplomarbeit. Galerie "Çiris", Riga, Lettland
1997 "Rauschen"/"Die Boten des Himmels", Galerie "Designtransfer" in Berlin,
Deutschland
1999 "Die andere Realität". "Kommunale Galerie" in Berlin, Deutschland (mit A.
R. Mantovani) "Skin Stories". Kulturforum, stilwerk in Berlin,
Deutschland (zusammen mit H. Caterbow)
2000 "Skin Stories". Galerie "Çiris", Riga, Lettland

 

Liktenzirnas / Mühlsteine des Schicksals / Millstones of destiny
Lettl 1997, 100 Min
R: Janis Streics
Mit: Ivars Kalnins, Agnese Zeltina, Arturs Skrastins u.a.

Eine Geschichte aus der Vergangenheit, von der Hauptfigur erzählt. Er ist noch am Leben, trotz einer früheren Krebsdiagnose. Was hat ihn gerettet? Ist ein Wunder geschehen? Der Film spielt in einem modernen, unabhängigen Lettland. Er berührt alle möglichen Probleme des täglichen Lebens, aber über allem steht die Liebe, jene Art von Liebe, die Wunder bewirken und den Tod verbannen kann. Mit 100.000 Besuchern schaffte es dieses Gesellschaftsdrama - knapp hinter Titanic - auf Platz 2 der lettischen Top-Liste.

 

Saistitu notikumu izmeklesana / Ermittlung über zusammenhängende Ereignisse / Investigation of related events
Lettl. 1993, 62 Min, OmenglUT
R: Janis Putnins
Mit: Armands Reinfelds, Ivars Kalnins, Inara Slucka u.a.

Bei den Nachforschungen über die Todesursache seines Freundes erkennt Rithards, dass ihn alle in seiner Umgebung letztendlich nur für ihre Machenschaften benutzen. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Rithards gerät in eine schwere Existenzkrise, die für ihn tragisch endet. Latvian National Film Center Award 1994

Pa Celam Aizejot / Leaving by the way
Lettl 2001, 90 Min, OmenglUT
R: Viesturs Kairiss
Mit: Davis Bergs, Elita Klavina, Guna Zarina, Andris Keiss, Janis Paukstello

Der neunjährige Dauka wartet sehnsüchtig - und vergeblich - auf die Rückkehr seines Vaters, der zur See fährt und schon viel zu lange fort ist. Die Mutter schafft es nicht, dem Jungen zu erzählen, dass sein Vater längst gestorben ist, über Bord gespült irgendwo im Nordatlantik. Ein ruhiger, in stimmungsvollen Bildern erzählter Film über die Suche eines Jungen nach der Wahrheit über seinen Vater und nach seinem Platz in der komplizierten Welt der Erwachsenen. Regisseur Viesturs Kairiss drehte mit professionellen Schauspielern und Laien in der abgelegenen Region Latgate, wo der Natur große Bedeutung zukommt. Ausgezeichnet als bester Spielfilm beim Nationalen Film-Festival 2001 Lettland. Regisseur Viesturs Kairiss, Jahrgang 1971, wurde in Riga geboren. An der lettischen Kulturakademie machte er 1997 seinen Abschluss als Film- und Theaterregisseur. 1999 wurde er als bester lettischer Theaterregisseur ausgezeichnet. Außer seinen filmischen Arbeiten führte Kairiss bei neun Theater- und zwei Operninszenierungen Regie. "Yevgeny Onegin" brachte ihm 1998 den Großen Musikpreis für die beste Opernproduktion ein. Für die EXPO '98 im portugiesischen Lissabon inszenierte er "Tailor's Days in Silmaci" - ausgezeichnet als beste lettische Theateraufführung von 1998.

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