| Das neue alte Russische Theater in der Kulturbrauerei |
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Es ist wieder da und hat nun bereits seit zehn Jahren in Berlin seine Türen geöffnet - das Russische Theater. Zudem noch frisch renoviert, empfängt es seit Sommer 2005 sein Publikum in neuem Glanz. Was äußerlich sichtbar wurde, schlägt sich auch in einer neuen Konzeption nieder. Zum Jahresbeginn 2005 wechselte mit Grigori Kofman und Nikolaj Kabanov die künstlerische Leitung des Theaters. Sie möchte die traditionellen Strukturen des früheren Russischen Kammertheaters zugunsten einer aktuellen, modernen Ausrichtung aufbrechen, deren Kern das Thema Grenzen und deren Überschreitung bildet. Das Theater ist das einzige in der Stadt, das überwiegend russische klassische und neue Dramaturgien auf die Bühne bringt. Über 30 Produktionen wurden bisher präsentiert. Sie sind mehrmals bei verschiedenen Festivals in Deutschland und im Ausland mit Preisen ausgezeichnet worden. Bis heute arbeitet das Russische Theater ohne staatliche Unterstützung. Es erhält jedoch Projektförderungen und wirkt in den unterschiedlichsten soziokulturellen Projekten und Aktionen mit. Seinen eigentlichen Ursprung hat das Russische Theater bereits in den frühen 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Berlin entwickelte sich in dieser Zeit zu einem kulturellen Schmelztiegel, in dem auch russische Emigranten, darunter viele Künstler und Intellektuelle, eine neue Heimat fanden. 1922 gründete Boris Romanov das Russische Kammertheater Berlin. Es wurde am 27. März 1997 unter der Leitung von Marina Lehmann neu belebt und ist seit dem Jahre 2000 in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg beheimatet. Bis 2004 befasste sich das Theater ausschließlich mit klassischen Stücken russischer Autoren, die in deutscher Sprache umgesetzt wurden. Seit 2005 hat das Theater eine dramaturgische uns soziokulturelle Neuorientierung erhalten. Das aktuelle Repertoire umfasst moderne internationale Dramatik in deutscher Sprache und auch Originalstücke, die zweisprachig aufgeführt werden. Anstelle stummer Übertitelungen sprechen jetzt die Darsteller selbst – so etwas gibt es in Berlin kein zweites Mal. Das Ohr des Zuschauers soll mit Klang und Melodie der russischen Sprache vertraut gemacht werden, ohne dabei das inhaltliche Verständnis in den Hintergrund zu rücken. Auch ohne Sprachkenntnisse können so fremde Kulturen nähergebracht, Vorurteile aufgedeckt und eine Annäherung und Kommunikation zwischen Zuschauer und Schauspieler gefördert werden. Das klingt zwar kompliziert, ist aber ganz einfach in einem kleinen Theater mit 60 Plätzen, in dem aus Platzgründen schneller als anderswo eine ungezwungene Atmosphäre zwischen Bühne und Zuschauerraum entsteht. Das Theater soll – so der künstlerische Leiter Grigori
Kofman „auf drei Säulen“ stehen: Damit soll das bestehende „Schubladen-Denken“ über russische Kultur, russische Autoren und Dramatik abgebaut und Verbindungen zwischen russischem und deutschem Denken und Fühlen geschaffen werden. Gleichzeitig geht es darum, die Faszination des Anderen, Fremden verstehbar und nachvollziehbar als Kunsterlebnis zu gestalten. Zielgruppe sind sowohl Jugendliche – über die Musik, Intellektuelle und Literaturliebhaber- über die Lyrik und allgemein theaterinteressiertes Publikum aus allen Kreisen Berlins. Aus einem Interview mit dem künstlerischen Leiter Grigori Kofman: Wie unterscheidet sich das Russische Theater von anderen Theatern Berlins? G. K.: Wir suchen die Modernität in unserer Arbeit nicht in Äußerlichkeiten. Für mich heißt das, in die Tiefe des Wortes zu gehen, die Ideen des Autors von hier aus zu radikalisieren, ins Extreme zu treiben. Aber: es müssen die Ideen des Autors sein. Natürlich rücken wir damit vielleicht in die Nähe des konservativen Theaters, aber das ist ein Trugschluss. Wohin soll sich das Russische Theater in den nächsten Jahren entwickeln? G. K.: In den Mittelpunkt unsrer Arbeit rückt mehr und mehr die Schauspielkunst. Das menschliche Spiel, die Verstellungskunst des Schauspielers muss oberste Priorität besitzen. Darin unterscheiden wir uns dann auch von anderen Off-Theatern, die sehr viel mit technischen Mitteln arbeiten. Was sind Schwerpunkte der Arbeit? G. K.: Ein wesentlicher Schwerpunkt besteht in der Bildung
eines bestimmten Produktionsteams während der künstlerischen Arbeit. Der
Regisseur ist hier nur ein Anregender, kein Leiter wie im deutschen Sinne.
Ich würde das sogar als Anti-Regie-Theater bezeichnen. Der Regisseur stellt
nur eine „künstlerische Krücke“ dar, die dann weggeworfen wird, wenn die
künstlerische Substanz des Schauspielers eigenständig wird. Was gebraucht
wird, ist ein so genanntes gut organisiertes Chaos oder eine sinnvolle
Anarchie während der Produktion. Schön wäre es, wenn der Zuschauer letztlich
den Eindruck bekommt, es handele sich bei der Inszenierung um eine momentane
Improvisation und nicht um festgelegte Verhaltensweisen auf der Bühne. Wie soll die Zukunft für das Russische Theater in Berlin aussehen? G. K.: Das Russische Theater sollte ein höheres Niveau
bekommen, nicht durch Masse im Zuschauerraum, sondern in gewissem Sinne
durch Klasse. Wichtige Inszenierungen:
Russisches Theater Berlin |